Die Leere der Vernetzung

Über Einsamkeit und virtuelle Freundschaften

Es gehört zu den großen Ironien unserer Zeit, dass wir inmitten einer Flut von Verbindungen mental zu verdursten scheinen. Der Bildschirm leuchtet, das Smartphone vibriert, eine endlose Kette von Benachrichtigungen gaukelt uns Wichtigkeit und Zugehörigkeit vor. Doch hinter dieser fieberhaften Betriebsamkeit breitet sich eine neue Form der Einsamkeit aus – eine Einsamkeit, die nicht aus Mangel an Kontakten, sondern aus der Zerbrechlichkeit der Beziehungen selbst erwächst.

Virtuelle Freundschaften, was für eine schöne, trügerische Erfindung. Wie Luftspiegelungen in einer Wüste erscheinen sie dem Suchenden als Oasen der Nähe. Man tritt ein in ein scheinbar grenzenloses Netzwerk menschlicher Möglichkeiten, nur um festzustellen, dass der Boden unter den Füßen aus nichts als Sand besteht. Ein Name auf einer Freundesliste, ein Herz unter einem Bild, ein flüchtiges Emoji als Antwort auf eine Offenbarung; all dies mag den Anschein von Gemeinschaft erwecken, doch es nährt die Seele kaum mehr als der Anblick einer prall gefüllten Speisekammer einen Hungernden zu sättigen vermag.

Die klassische Freundschaft lebt vom gelebten Augenblick, von der wortlosen Sprache eines geteilten Schweigens, vom Wissen, dass der andere da ist, auch jenseits von Worten. Virtuelle Beziehungen hingegen sind oft wie Schattenspiele: sichtbar, beweglich, aber substanzlos. Es ist nicht die Abwesenheit von Interaktion, die den modernen Menschen vereinsamt, sondern die Unfähigkeit, in dieser Interaktion Verbindlichkeit, Tiefe und Wahrheit zu finden.

Zudem hat die Logik der sozialen Netzwerke eine subtile Ökonomie der Selbstdarstellung etabliert. Man zeigt nicht, wer man ist, sondern wer man zu sein hofft. Man sucht nicht Begegnung, sondern Bestätigung. Und während die Profile strahlen und glänzen, wird das wahre Ich für die anderen und schließlich auch für sich selbst immer unsichtbarer.

Natürlich darf man die Möglichkeiten, die virtuelle Freundschaften bieten, nicht gering schätzen. Für den Schüchternen, den geografisch weit Entfernten, den sozial Gehemmten können sie ein erster Schritt in die Welt sein, ein zarter Faden, der zu echten Begegnungen führen könnte. Doch die Gefahr liegt darin, sich im Gespinst dieser Fäden zu verfangen und nie den Mut aufzubringen, sie in wirkliche Bande zu verwandeln.

So stehen wir, jeder für sich, inmitten eines scheinbar unendlichen Netzes, verbunden mit Tausenden und sind doch oft einsamer als je zuvor. Vielleicht liegt darin die stille Lehre unserer Zeit: dass wahre Nähe sich nicht multiplizieren lässt, dass echte Freundschaft Raum braucht, Stille, Geduld und, ganz wichtig, den Mut zur Unvollkommenheit.

Am Ende bleibt die Frage, die sich jeder selbst beantworten muss: Will ich gesehen werden oder wirklich erkannt?

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