Unendliche Verlorenheit

Alle Lebenslügen, alle vormals stolzen Gedankengebäude, die philosophischen und politischen Systeme, alles Materielle, alles Existentielle, alle Liebe, aller Hass fallen im Angesicht des “letzten Augenblickes“ in sich selber zusammen und außer der nackten Angst bleibt nichts von Bedeutung übrig. Im Tod schließt sich der Kreis, einsam wird der Mensch geboren, einsam stirbt er. Nichts hatte eine Bedeutung, nichts wird jemals eine Bedeutung bekommen. Die unendliche Verlorenheit des Menschen im All geht über in die unendliche Verlorenheit des Menschen im Tod. Das Leben, ein kurzes Aufflackern, ein kurzes Glimmen, selten ein Strahlen und danach die Finsternis, die Ewigkeit des Nicht-Seins, des Nicht-Existierens. Vor-Geburt und Nach-Tod treffen sich in einem Punkt und das Universum schrumpft wieder zu einem unfassbar kleinen Punkt.

Vor diesem Hintergrund gewinnt der Mensch eine andere Perspektive. Die Verzweiflung Pascals über das „Schweigen der unendlichen Räume“ bekommt wahrhaft galaktische Ausmaße. Auch dem „ersten Menschen“ muss es ähnlich gegangen sein.

Man stelle sich die Situation einmal vor: eine weite, fast endlos scheinende Ebene. Ein Gewitter braut sich zusammen. Am Rand dieser Ebene steht der „erste Mensch“, allein, schutzlos. Er wird sich seiner Kleinheit, seiner Nichtigkeit und Fragilität bewusst. Fröstelnd schaut er sich um, doch nirgendwo eine Möglichkeit um Schutz zu suchen, kein anderer Mensch mit dem er seine Furcht teilen könnte.

Über ihm nur der grenzenlose Himmel, vor ihm die Weite des Horizonts. Er sinkt zu Boden, will in die Erde kriechen, Schutz suchen, doch gnadenlos muss er mitansehen und spüren, wie er zum Spielball der Natur wird. Der Wind zerrt an seinen Haaren, der Regen prasselt auf seinen Körper, er ist schutzlos und ein bisher nie gekanntes Gefühl der Einsamkeit ergreift von ihm Besitz.

Ein Schrei der Verzweiflung löst sich von seinen Lippen und verhallt ungehört in der weiten Einöde vor ihm. Dies ist der Moment, in dem Religionen entstehen, moralische Systeme gebildet werden und damit, die Annahme ist berechtigt, der Ursprung aller Probleme der menschlichen Rasse.

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