Ein Sakraldrama in mehreren Akten
Man stelle sich vor: Da steht ein Staat mit prall gefülltem Gesetzbuch, mit Gerichten, mit Instanzen und Paragrafen, und dann kommt da plötzlich ein mittelalterliches Gebäude mit Glockenturm und sagt: „Nein.“ Nicht im Namen des Volkes, sondern im Namen einer höheren Instanz, die man zwar nie gesehen hat, aber mit Weihwasser anruft.
Kirchenasyl
Das ist, als würde man in der Tankstelle parken, um dem Strafzettel zu entgehen, mit dem Unterschied, dass die Polizei davor tatsächlich stehen bleibt. Das Kirchenasyl ist ein juristisches Einhorn: Es existiert nicht im Gesetz, aber alle tun so, als müsste man es respektieren. Aus Pietät? Aus Angst vor schlechter Presse? Oder weil keiner den Pfarrer vom Türrahmen pflücken will?
Macht die Kirchen voll!
Jawohl. Wenn schon keine Gläubigen mehr kommen, dann eben Asylsuchende. Es füllt die Bänke, die sonst nur noch als Lagerplatz für verstaubte Gesangbücher dienen. Der Glaube stirbt, aber die Symbolpolitik lebt. Das Gotteshaus wird zum rechtsfreien Raum mit moralischer Nebelmaschine. Hier regiert kein Richter, sondern das Gewissen des Pfarrers, das sich selbst als letzte Instanz feiert.
Macht die Pfarrereien voll!
Auch dort, wo man sonst nur noch seelsorgerliche Selbstgespräche führt. Die Klingel geht wieder, Halleluja! Nicht wegen der Firmung, sondern wegen warmer Suppe und WLAN. Und man merkt: Der Pfarrer ist plötzlich wieder wichtig. Nicht wegen des Evangeliums, sondern weil er jetzt ein Ersatz-Entscheider ist für das Versagen der Exekutive.
Macht die Residenzen der wohlgenährten Bischöfe voll!
Wenn schon Asyl, dann bitte konsequent! Lasst die Geflüchteten durch den Bischofsgarten flanieren, lasst sie in den Marmorsälen des Episkopats zelten. Dort, wo sonst das Schweigen über Missbrauch und Missstände dröhnt, wird dann wenigstens wieder geschnarcht. Vielleicht lernen die Herren in Purpur, was es heißt, wenn die Nächstenliebe auch mal Platz macht im Gästebett.
Und siehe:
Sie werden wieder beten lernen
Nicht für die Welt, sondern für Ordnung. Denn plötzlich wird klar: Wenn jeder Kirchenvorstand sich über Gerichtsurteile hinwegsetzt, weil das Gewissen „Ja“ sagt, ist nicht mehr weit bis zur moralischen Willkür. Dann entscheidet nicht mehr das Recht, sondern die Lautstärke der Empörung.
Was als Akt der Barmherzigkeit begann, endet als Schattenjustiz. Statt Reform der Asylpolitik gibt es Hostien und Hoffnung. Statt faire Verfahren gibt es sakrale Schutzräume mit fragwürdiger Selektivität. Wer rein darf, entscheidet nicht ein Gesetz, sondern der Pfarrer, oder der mediale Druck.
Und so hallt es durch die Kirchenschiffe:
Credo in ecclesiam quae legem superat
Ich glaube an die Kirche, die über dem Gesetz steht.
Doch die eigentliche Frage bleibt: Darf eine Institution, die selbst jahrhundertelang Schutz vor Verantwortung suchte, nun wieder zum Fluchtraum werden, diesmal gegen den Rechtsstaat? Oder ist Kirchenasyl nur ein symbolträchtiger Rückzugsort für eine Kirche, die im gesellschaftlichen Nirgendwo nach Relevanz sucht?