Leben, Werk und Zeit
Michel de Nostredame, besser bekannt unter dem latinisierten Namen Nostradamus, wurde am 14. Dezember 1503 in Saint-Rémy-de-Provence im Süden Frankreichs geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie, die zum Katholizismus konvertierte, was in einer Zeit zunehmender religiöser Spannungen in Europa keine Seltenheit war. Nostradamus lebte in einer Epoche des Umbruchs: Das 16. Jahrhundert war geprägt von der Reformation, den beginnenden Religionskriegen, der Renaissance mit ihrem Wiederaufleben antiken Wissens sowie der allmählichen Emanzipation der Wissenschaft von kirchlicher Autorität.
Er studierte zunächst an der Universität Avignon und später Medizin an der Universität Montpellier, wo er 1529 zum Doktor der Medizin promovierte. Als Arzt kämpfte er immer wieder gegen Pestepidemien, die in dieser Zeit regelmäßig ganze Landstriche heimsuchten. In dieser Funktion wurde er für seine unkonventionellen Methoden bekannt, die nicht nur auf dem klassischen medizinischen Wissen, sondern auch auf pragmatischen hygienischen Maßnahmen beruhten. Dennoch wurde seine medizinische Karriere durch den Vorwurf unorthodoxer Heilmethoden und den Verdacht auf Häresie mehrfach erschüttert, was ihn dazu zwang, sich zeitweise zurückzuziehen.
Nostradamus‘ Name ist jedoch weniger wegen seiner medizinischen Tätigkeit im kollektiven Gedächtnis geblieben als vielmehr durch seine prophetischen Schriften. Im Jahr 1555 veröffentlichte er das Werk „Les Prophéties“, eine Sammlung von rund tausend Vierzeilern, sogenannten Quatrains, die zukünftige Ereignisse vorhersagen sollten. Diese Texte sind in rätselhafter, bildreicher Sprache verfasst, oft durchsetzt mit Anspielungen auf astrologische Konstellationen, historische Analogien und mythologische Bilder. Die Deutbarkeit dieser Verse ließ Raum für vielfältige Interpretationen, was wesentlich zu ihrer langanhaltenden Popularität beitrug. Viele seiner Anhänger glauben bis heute, dass Nostradamus bedeutende historische Ereignisse wie die Französische Revolution, die Weltkriege oder gar die Terroranschläge des 11. Septembers vorhergesagt habe.
In seiner Zeit war Nostradamus eine ambivalente Figur. Einerseits wurde er von hohen Persönlichkeiten geschätzt, etwa von Katharina von Medici, der Gemahlin des französischen Königs Heinrich II., die ihn an den Hof berief. Andererseits begegnete man seinen Schriften auch mit Skepsis, insbesondere in kirchlichen Kreisen, die in seinen Prophezeiungen Omen des Okkultismus oder gar Ketzerei sahen. Dennoch konnte er sich mit diplomatischem Geschick und einer Aura des Geheimnisvollen weitgehend gegen Verfolgung behaupten.
Nostradamus starb am 2. Juli 1566 in Salon-de-Provence. Er hinterließ ein Werk, das bis heute fasziniert und polarisiert. Seine Prophezeiungen werden immer wieder neu gelesen, gedeutet und auf aktuelle Ereignisse bezogen. Der Reiz seiner Texte liegt wohl gerade darin, dass sie vage genug sind, um in verschiedenste Kontexte hineininterpretiert werden zu können, gleichzeitig aber ein Gefühl tiefer Bedeutung und zeitloser Warnung vermitteln. In einer Welt, die auch im 21. Jahrhundert nicht frei von Unsicherheit ist, wirkt Nostradamus‘ Mischung aus Wissenschaft, Mystik und Poesie weiterhin wie ein Echo aus einer Zeit, in der Menschen auf der Suche nach Ordnung in einer chaotischen Welt zwischen Sternen, Krankheiten und göttlichem Willen Orientierung suchten.
Josh Levine bietet in seinem Buch „ Der Nostradamus-Code“ eine andere Theorie, nach der die Quatrains des Nostradamus nicht als Prophezeiungen zu verstehen sind, sondern als Warnungen. Warnungen vor der immer drohenden Destruktivität des Menschen mit allen ihren Folgen.