Kreativ?!

Ein neuer Lifestylebegriff macht aktuell die Runde. Dabei ist von den sog. „jungen Kreativen“ die Rede. Wer oder was sind diese Typen? Schenkt man Medienberichten  Vertrauen, dann sind es überwiegend arbeitslose Jungakademiker, die den ganzen Tag in angesagten Lokalitäten abhängen, sich gegenseitig ihre Einzigartigkeit beweisen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Letztere besteht überwiegend darin, sich in gemeinsamen Netzprojekten zu verwirklichen.

Aus ihrer prekären Situation machen sie eine Tugend und behaupten, dass sie durch eine Tätigkeit, die ohne materielle Vergütung daherkommt, ihre Fähigkeiten, worin die auch immer bestehen mögen, in den selbstbestimmten Dienst am eigenen Ego stellen. Nun soll ja jeder auf seine Art glücklich werden und niemand hat etwas dagegen, wenn die „jungen Kreativen“ vier Jobs brauchen um über die Runden zu kommen. Unerträglich wird es jedoch dann, wenn sich diese Leute als Avantgarde eines neuen Lebensgefühls feiern lassen, hinter denen der reiche Papa mit seinem gut gefüllten Bankkonto steht.

Kaum ein anderer Begriff ist dermaßen abgenudelt wie das Wort  kreativ. Waren noch vor kurzem diejenigen die „Kreativen“, welche in den Werbeagenturen für wenig Geld Überstunden gehortet haben und die inzwischen durch Dauerpraktikanten ersetzt worden sind, so sind heute die „Kreativen“ diejenigen, die ihre Lebenslüge durch bloggen in der Netzgemeinde verdrängen.

Wie sich die Zeiten ähneln. Waren es vor 25 Jahren Langzeitstudenten, die sich durch Taxijobs am Leben und am Schwafeln hielten, immer bereit ihren Lebensstil als allein seligmachenden zu bezeichnen, so sind es aktuell die „jungen Kreativen“, die durch Internetaktivitäten ihr individuelles Heil suchen.

So wie ihre taxifahrenden Vorgänger, die sich im Geheimen schon immer einen regelmäßigen und gut bezahlten Job gewünscht hatten, den sie heute auch innehaben, so sitzt auch die aktuelle Avantgarde bereits in den Startlöchern, um sich ebenfalls solche Jobs zu sichern. Beide eint die Verlogenheit des propagierten Lebensstils.

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